Meinung zum Thema „elektronische Patientenakte“
Ein Kommentar von Dr. Magdalena Grzonka.
Die elektronische Patientenakte soll für alle Versicherten zum Standard werden. Wer nicht möchte, dass seine Daten elektronisch gespeichert werden, muss ausdrücklich widersprechen.
Bislang gilt das folgende Vorgehen: Diagnosen, Befunde, Dokumente und Leistungsdaten liegen direkt bei den Ärzten sowie den Krankenkassen. In Einzelfällen werden diese mit dem Einverständnis der Betroffenen verschickt.
Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte im deutschen Gesundheitswesen sind hohe Erwartungen an eine Verbesserung der Patientenversorgung verbunden. Durch eine verbesserte, schnellere und idealerweise vollständige Bereitstellung von relevanten Informationen zu Patienten soll die Behandlung unterstützt werden. Wobei jedoch der Patient selbst keine umfassende Einsichtsmöglichkeit auf die über ihn gespeicherten Daten hat.
In dieser Datenbank sollen alle Daten des Patienten von Befunden über Therapien, Arbeitsunfähigkeiten bis zum Impfpass digital gespeichert werden (s. Tabelle). Zugriff darauf sollen jedoch nicht nur Ärzte bekommen, sondern die Daten sollen auch für Auswertungen genutzt werden, wie der Gesundheitsminister verlauten läßt.1
Die Krankenkassen sind dafür zuständig, die ePA anzubieten, mit der technischen Umsetzung beauftragen sie Dienstleister. Derzeit können Patienten noch selbst entscheiden, wer Zugriff auf welche Dokumente erhalten soll. Die Daten werden in einer bundesweiten Cloud gespeichert und ausgetauscht, die dann zu einer europäischen Cloud erweitert wird (European Data Health Space). Durch eine EU-Regelung können bald Behörden aller EU-Staaten auf diese Daten zugreifen (e-Evidence-Verordnung)2.
Kritiker befürchten den gläsernen Patienten, Datenmissbrauch, Hackerangriffe und einen großzügigen Abfluss der Daten an Forschungseinrichtungen und Pharmaindustrie. So kritisiert Silke Lüder, stellvertretende Vorsitzende der Freien Ärzteschaft: „Die gesamte Planung zielt darauf ab, die ärztliche Schweigepflicht aufzuheben – und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten gleich mit.“ Der Verband geht davon aus, dass die Gesundheitswirtschaft an die Daten will, um damit Geschäfte zu machen4. So sagte Karl Lauterbach bei der Vorstellung seiner Pläne: Dass man derzeit keine Daten aus digitalen Patientenakten an die Forschung geben könne, lasse Deutschland international zurückfallen1. Somit wird der als Forschung getarnten wirtschaftlichen Verwertung Tür und Tor geöffnet.
Kritik kommt auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz: „Wer schweigt, sagt nicht automatisch Ja“, sagt Vorstand Eugen Brysch. Und auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat das geplante Widerspruchsprinzip schon kritisiert. Mit seinen Gesetzesvorhaben vergrößert Lauterbach nun den Konflikt: Er plant, den Bundesdatenschutzbeauftragten bei dem Digitalisierungsprozess zu entmachten. Dessen Vetorecht soll fallen, ebenso das des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik4.
In der Vergangenheit sind zudem immer wieder Sicherheitslücken in der Telematikinfrastruktur gefunden worden, die die Basis des digitalen Gesundheitswesens ist. Eine weitere Schwachstelle liegt bei den Patienten selbst. Diese sollen vor allem per App auf die Daten zugreifen. Gerade bei den nicht flächendeckend mit Sicherheitsupdates versorgten Android-Geräten bietet das Angriffspunkte.
Diese allumfassende Speicherung aller medizinischen Daten entbindet uns von der Eigenverantwortlichkeit unsere eigenen Patientenakte zu führen. Der Staat übernimmt dies für uns. Aber wollen wir dies? Noch hat jeder Bundesbürger das Recht dieser Speicherung zu widersprechen oder diese zu akzeptieren auf dem Weg zum gläsernen Staatsbürger.
Inhalt der elektronischen Patientenakte3
- Daten aus digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) des Versicherten,
- bei den Krankenkassen gespeicherte Daten über die in Anspruch genommenen Leistungen des Versicherten
- Daten zur pflegerischen Versorgung des Versicherten,
- Verordnungsdaten und Dispensierinformationen elektronischer Verordnungen (eRezepte inkl. Arzneimittelhistorie),
- elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAUs),
- sonstige von den Leistungserbringern für den Versicherten bereitgestellte Daten, insbesondere aus strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Erkrankungen.Daten zu Befunden, Diagnosen, durchgeführten und geplanten Therapiemaßnahmen, Früherkennungsuntersuchungen, Behandlungsberichten und sonstige untersuchungs- und behandlungsbezogene medizinische Informationen,
Photo https://pixabay.com/de/illustrations/patientenbetreuung-weiße-männchen-1874747/
1 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/lauterbach-elektronische-patientenakte-100.html
2 https://lfd.niedersachsen.de/startseite/themen/weitere_themen_von_a_z/innere_sicherheit/vorschlag_der_eu_kommission_fur_eine_e_evidence_verordnung/
3https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/digitalisierung/digitale-anwendungen/telematikinfrastruktur/epa
4 https://taz.de/Elektronische-Patientenakte/!5918459/