Nie wieder Krieg

Käthe Kollwitz, Plakat »Nie wieder Krieg«, 1924, Kreide-
und Pinsellithographie (Umdruck), Kn 205 III b

’s ist Krieg!

’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre,
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?

Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
’s ist leider Krieg – und ich begehre,
Nicht schuld daran zu sein!

                                                                                                          Matthias Claudius 1778

Wie oft ist dieses Gedicht wohl interpretiert worden?

Der zentrale Begriff darin ist die Schuld – nicht zu verwechseln mit der Kausalität. Unter Schuld verstehen wir, wenn jemand sich entgegen gesetzlichen, sittlichen oder ethisch-moralischen Wertvorstellungen verhält. Der Grund – die Causa – für einen Krieg wird im ökonomischen oder religiösen Denken gesucht oder im Machtstreben eines einzelnen oder einer Gruppe. Die Schuld sieht Claudius im persönlichen Denken und Handeln eines jeden von uns. Wer trägt die Schuld, derjenige, der den Schuss unmittelbar abgibt, derjenige, der ihn befiehlt oder derjenige, der zuschaut? Und wie sieht es mit jenen aus, die für know-how und Nachschub sorgen?

Glücklich kann sich der Idealist schätzen, für den der Tod einen Übergang ins Jenseits darstellt. Und all die anderen? Gottes Engel blieben schon zu Claudius Zeiten im Himmel, so wird es auch dieses Mal wieder sein.

Wie abgestumpft sind wir? Berühren uns die Bilder der Verstümmelten und Leichen von Claudius noch? Oder haben uns Filme wie Mission Impossible und Computerspiele wie World of Warcraft abgestumpft. Wir spielen Lasertag und kaufen unseren Kindern Nerf Blaster. Die Bilder des Grauens und Leidens des Krieges flimmern so lange über die Bildschirme, bis wir sie als alltäglich und normal betrachten. Die Geister der Erschlagenen suchen schon lange keinen mehr heim. Wir sind Meister des Verdrängens geworden und würden persönliche Schuld am Krieg niemals in Erwägung ziehen.

Claudius hinterfragte sie noch die gesellschaftliche Ordnung, Vormachtstellungen, Fremdbestimmung und Eigenverantwortung. Er wird der Epoche der Empfindsamkeit zugeordnet, der wir Erkenntnis über die Grenzen des menschlichen Verstandes und die Widersprüchlichkeit der vermeintlichen Aufklärung verdanken. Für ihn war das individuelle Empfinden der Maßstab für Persönlichkeit und Handeln.

’s ist leider Krieg – und ich begehre,
Nicht schuld daran zu sein!

Dr. Magdalena Grzonka Mitglied FDP Stadtverband Siegen

                                                                                                         

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